Spielbericht: Emil – Wege zum Glück!

Spielbericht: Emil – Wege zum Glück!

Rostock Piranhas vs. Hannover Scorpions: 3:2 nach Penalty

Highlights: https://www.thefan.fm/details/wDeI4vaT/

Torschüsse: 42 zu 46

Zuschauer: 1.137

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Vorbemerkung: Erst mal aus Fairness und Respekt: Gratulation an die Hannover Scor-piii-ooons zur verdienten Oberliga-Nord-Meisterschaft. Es ist schon ein krasses, bemerkenswertes Team.

Nun aber zum Spiel! Und da machen wir es wie in den Romanen, erst mal ein schlaues Zitat vorweg. Normalerweise so Zeug von Bukowski, Brecht, Stendhal oder Arendt. Heute mal Ecco Weber:

»Wer nächste Woche Sonntag nicht zu den Piranhas geht, ist selber schuld.«

…….

  1. Kalte Dusche.

Kennt jemand von euch diese Nachmittags-Telenovelas? So was wie Sturm der Liebe. Bianca Wege zum Glück? Rote Rosen. Und all die anderen Schmonzetten?

Ihr müsst euch jetzt nicht outen. Ist schon okay. Jeder hat seine Guilty Pleasure, seine »gewissen Leidenschaften«.

Aber das sich diese Formate nicht nur bei Fliesentischbesitzern verfangen, hat einen einfachen Grund: Die Sendungen sind dramaturgisch hinterrücks gestrickt.

Zunächst geht alles schief. Die Heldin oder der Held leiden.

Dann wird es intensiv, romantisch. Die Protagonisten schalten in den Bonobo-Äffchen-Modus. Und danach, auf dem vermeintlichen Höhepunkt, wird es wieder ganz furchtbar spannend. Eine Achterbahn der Emotionen.

Genau so eine Telenovela haben gestern die Zuschauerinnen und Zuschauer in der Schillingallee erlebt.

Spielminute 1.

Ein blöder Wechselfehler, und schon knallte Dylan Wruck, ein absolutes Ass der Liga, die Scheibe in den Giebel. Ein Moment, der ähnlich schwer im Magen lag wie Omas Wruckeneintopf. Da hilft auch kein Kümmel.

Es roch nach Abreibung in diesem Moment. Es sind schließlich die Scorpions. Die beste Mannschaft der Liga. Das Team, das Gegner für gewöhnlich zusammenschießt wie Egon auf dem Weihnachtsmarkt die wildschweinförmigen Zielscheiben.

Doch es wurde langsam besser. Die Piranhas wehrten sich, immer wieder preschten Jungs wie Schaludek, Kunz oder Steinmann in die Tiefe. Jagten die Scheibe und den Gegner. Ein bisweilen sogar druckvolles Powerplay gelang – aber ohne Glücksgefühle.

Stattdessen die Scorpions: Eiskalt. Powerplay. Die Piranhas bekommen die Scheibe nicht weg, und plötzlich liegt sie im Netz. 0:2.

  1. Der Moment

Im zweiten Drittel kamen die Scorpions wieder mit viel Energie raus, drückten, drückten, aber die Piranhas hielten gegen. Ein rassiges Spiel entwickelte sich. Beizeiten giftig, immer umkämpft. Einmal glitt Keegan rückwärtsgewandt zum gegnerischen Tor, konnte sein artistisches Schauspiel aber nicht krönen.

Schon in diesem Moment passierte etwas ganz Wesentliches: Die Zuschauer stiegen ein – immer wieder wummerten Anfeuerungsrufe durch die Halle. Die Mannschaft hatte die Schillingallee mit ihrer Leidenschaft hinter sich vereint. Eine krasse Atmosphäre, die in fassungsloser Wut schnaufte, als sich tief im Drittel der Rostocker eine delikate Szene ereignete.

Raul Jakob und Michael Knaub, die 77er beider Teams, gerieten aneinander. Beharkten sich mit Worten, die es nicht ins ZDF-Nachmittagsprogramm schaffen werden. Dann tat Raul das einzig Richtige und zog ab. Keine Strafe riskieren, rasch auf die Bank und fertig. Und ohnehin: Wer sich mit Knaub anlegt, der kann genauso gut mit diesem roten Alaska-Seelachs-Schnitzelzeug eingeschmiert einen Grizzly umarmen.

Knaub hatte aber noch nicht genug. Direkt vor den Augen des Unparteiischen langte er weiteres Mal mit der Bärenpranke in Richtung des Gesichts von Raul Jakob. Eine Strafe? Nö, befand der Schiedsrichter.

Und vielleicht war das der endgültige Kipppunkt.

Die Raubfische waren jetzt richtig sackig und wild. Quasi im Anschluss an das Theater lief Emil Bejmo plötzlich allein auf das Tor der Scorpions zu und schoss Gerald (Jerry) Kuhn III das Ding durch die Hosenträger.

1:2. Hoffnung.

Die fast zerplatzt wäre. Die Piranhas bekamen ein Powerplay, und es passierte das, was viel zu oft passiert: Der Gegner stand in Unterzahl auf einmal allein vor Albrecht.

Aber die Berliner Mauer hielt. Kein Gegentor. Kein 1:3. Die Hoffnung glomm weiter – und hätte fast einen atmosphärischen Flächenbrand verursacht.

Denn nur wenige Momente später holte Marius Pöpel einen Schlagschuss von der Blauen raus. Ein Schuss wie eine Kanonenkugel, und ein Plinnnnng, das manchen Piranhas-Fans immer noch im Ohr hallen wird. Einer der drei Pfosten (der rechte) des Hannover-Tors wurde getroffen.

PS: Wir meinen mit dem dritten Pfosten natürlich nicht Gerald Kuhn, sondern die Latte.

III. Keegan Classics

Drittelpause.

Durchschnaufen.

Wann fängt die Eishalle endlich an, Xanax in die Getränke zu mischen? Dieses Wechselbad aus Angst, Hoffnung, Verzweiflung ist ja kaum auszuhalten.

Es ging weiter wie gehabt, rauf und runter hetzten sich beide Teams über das Eis. Keine Sekunde Langeweile.

Dann die 45. Spielminute.

Emil Bejmo und Keegan Dansereau, die beide fantastisch spielten, passten sich den Puck zu. Dann machte Bejmo den Barry, und legte perfekt für Keegan vor. Der drückte per Direktschuss ab.

Ein Schuss, so schnell, dass sogar Keegan erst mal realisieren musste, dass er getroffen hatte.

Was für eine Wumme! Der Puck rasierte Gerald Kuhn vielleicht sogar die Oberschenkel, während die Scheibe erneut durch seine Beine ins Tor sauste.

Ein klassischer Keegan.

Und nachdem Hannover den Gegenzug knapp verpasst hatte, wollte Rostock mehr. Ein nächster wilder Schuss verpasste das Ziel nur um Zentimeter, testete dafür das Plexiglas auf strukturelle Schäden.

Kurz darauf, und das gehört zur Wahrheit, kam Hannover noch mal mit aller Wucht. Aber Albrecht hielt.

Und hielt.

Und hielt.

Die Rostocker Jungs, teilweise schon stehend ausgeknockt, warfen sich in jeden Schuss. Bis die Sirene nach 60 Minuten den Punktgewinn der Piranhas verkündete.

Applaus und Overtime.

In der sollten sich alle Raubfisch-Fans verwundert die Augen reiben. Die ersten zweieinhalb Minuten spielte nur Rostock. Keine Übertreibung, sondern ein Fakt. Mehrere Gelegenheiten sprangen heraus, die größte der gesamten Verlängerung vergab Keegan.

Auch das war eine Szene, die zu einer Erinnerung reifen wird.

Kuhn hielt, aber die Scheibe glitschte ihm dann doch durch, kullerte zur Torlinie. Keegan wollte den Puck, der fast schon im Tor lag, reindrücken, als ein Scorpion-Verteidiger unfassbar gut rettete. Eine Wahnsinnsaktion des Gegners!

  1. Glück

Penaltyschießen.

Letzte Woche hätten die Piranhas-Fans singen können, dass tausendmal in einer Nacht nichts passiert ist. Die Scheibe wollte gegen Duisburg nichts ins Tor, egal was die Rostocker Jungs auch versuchten.

Gestern lief Keegan Dansereau als erstes an und tat das, was die Piranhas den ganzen Abend machten: Gerald Kuhn den Puck zwischen die Schoner zwitschern. Steht die »III« hinter dem Namen des Torwarts etwa für die Anzahl der kassierten Beinschusstsore? Unabhängig davon: Was der Goalie der Scorpions ansonsten hielt – 40 Paraden – war der Wahnsinn.

Aber Kuhn war gestern ein grandioser, aber eben nicht der bester Goalie. Das war Sebastian Albrecht, der die ersten beiden Scorpions-Penalty heroisch abwehrte.

Und dann kam Emil.

Seifenoper und so.

Was die Fans nicht wussten: Kurz vor dem Spiel stand sogar kurzzeitig der Einsatz infrage. Auf dem letzten Drücker konnte Emil Bejmo dann noch mitmischen. Und wie er das tat.

Das erste Tor gemacht.

Das zweite vorbereitet.

Andauernd die Scheibe gewonnen, den starken Scorpions gezeigt, wo in Bullerbü der Hase läuft.

Und zum Schluss dieser Penalty. Mit schwedischer Eleganz hob er das Ding über den Beinschoner unter die Latte. Die Trinkflasche wurde durch das Netz in die Luft katapultiert.

Sieg.

3:2. Nach Penalty.

Gegen die Scorpions.

Den Nord-Meister. Vielleicht der besten Mannschaft im drittklassigen Profi-Eishockey.

Unfassbar irre. Unfassbar toll.

Selten hat die Schillingallee in den letzten Jahren so gekocht.

Spieler des Spiels:

Bejmo, Dansy, Albrecht – die Führungsspieler lieferten. Aber diese Kategorie gebührt heute der kompletten Mannschaft.

Was für ein Team. Was für eine Leistung. Was für ein Abend!

Epilog:

Es gibt da einen feinen, ja überragenden Menschen, einen Schon-Klein-Sponsor und Vielleicht-bald-mehr-Sponsor. Nennen wir ihn mal ganz fiktiv »Ronny.«

Also nicht der Ronny aus diesem Ponny-Lied von den Toten »Crack***** im Kofferraum.« (Upsi, da sind die Pferde mit uns durchgegangen. Der Gaul heißt im Lied „Johnny“ ;))

Ronny war vor paar Tagen gegen Duisburg richtig angesäuert.

»Wie können wir das verlieren? Wir können wir so schludrig sein? Das ist doch Sch*****!«

So ist es eben. Wenn einem Eishockey von Woche zu Woche mehr bedeutet, wirds halt emotional. Dann leidet man mit, und dann mufft man sich auch mal an.

Gestern, die Nacht war schon fast wieder ein neuer Morgen, sagte dieser Ronny etwas sehr Schönes.

»Das Spiel heute, das war keine Versöhnung, das war keine Wiedergutmachung, das war viel mehr als das. Das war einfach nur großartig. Das war Werbung für den Sport in Rostock. Das war ein Abend, für den man dankbar ist, weil man ihn erleben darf.«

Damit ist alles geschrieben:

Denkt dran: Nächsten Sonntag gegen Tilburg müssen wir unsere Rostocker Jungs mit ganz viel Rückenwind in die Pre-Playoffs schicken.

Gemeinsam #bissigfürrostock

Text: Hannes Hilbrecht

Fotos: David Garbe

 

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