Rostock Piranhas vs. Moskitos Essen: 3:2 n.V.
Tore: Voronov, Bejmo, Mieszkowski
Highlights: https://www.thefan.fm/details/NzqXXvV9/
Der Aperitif:
»Dieses Trikot kann man heute mit stolz tragen«, sagte ein Mann mit Kniemanschette am Samstagvormittag vor dem Outlet-Center in Brodersdorf zum Autor dieser Zeilen.
Welch ein schöner Satz.
Klar, das Trikot der eigenen Mannschaft sollte man immer mit stolz tragen können. Egal ob Niederlage oder Sieg. Vereinsliebe ist Vereinsliebe. In guten und schlechten Zeiten.
Aber trotzdem sind die Piranhas-Schultern gerade etwas breiter – aus eben diesen besagtem Stolz.
Das Wort fiel im Nachgang des Spiels häufiger bei Fans, Spielern oder den Menschen hinter dem Verein.
Stolz auf den vierten Sieg in Folge.
Stolz auf den dritten ungeschlagenen Auftritt in der Schillingallee.
Stolz auf einen Erfolg gegen den Tabellenführer, gegen eine Mannschaft, die sich seit Wochen als Top-Team präsentiert.
Vor allem aber stolz auf etwas ganz Wesentliches: den Charakter dieses Teams. Der Leidenschaft, Courage und Mut einer Mannschaft, die gestern Abend erneut fast 1.061 Herzen eroberte (die fünf wackeren Essen-Fans mal ausgeklammert). Sogar manch miesmurriges Gesicht war einem Siegerlächeln verhaftet
Der Hauptgang:
Dieser Sieg war besonders. Nicht nur wegen der Tabellenkonstellation. Sondern vor allem wegen des Zustandekommens.
Die Piranhas kamen bissig ins Spiel, schossen aber mal wieder keine Tore im Auftaktdrittel. Der erste Spielabschnitt liegt den Raubfischen noch nicht – anders Essen, die zunächst in Nuancen besser waren und hochkarätige Chancen hatten. 1:0 Zolmanis, viel zu einfach.
Im zweiten Drittel veränderte sich das Spiel. Die Rostocker kamen mit Wucht, rannten immer wieder an. Insgesamt schossen die Piranhas in diesem Spielabschnitt 24-mal auf das Tor – das aber meist vergeblich.
Essen dagegen eiskalt. Eine der wenigen Druckphasen, ein paar scharfe Pässe, dann Biezais. Lettische Delikatessen.
0:2 gegen den Favoriten, gegen den Spitzenreiter, mit ganz viel Pech auf dem Schläger. Puh. Nicht die beste Ausgangslage.
In den vergangenen Jahren wäre die Partie so gut wie durch gewesen. Gut gespielt, kein Glück gehabt, dann Rückschläge zu doofen Zeitpunkten. Finito.
Aber diese Rostocker Mannschaft ist anders. Ganz anders.
Immer wieder drückten die Raubfische den Gegner hinten rein. Schuss um Schuss prasselte auf das Gästetor ein. Dort brillierte jedoch Kollege Bastian Kucis. Mit den Beinen, mit der Hüfte, mit riesigen Pranken. Eine geniale Torwartleistung! Das war zwischenzeitlich keine Krake, sondern ein Riesenkalmar.
Den Torwart berühmtschießen – können wir an der Ostsee.
Bis die Piranhas einen reinvoronofften und den Bullshit (Kuhschiss) auf dem Schlägerblatt loswurden.
Shevyrin auf Braun, der unprätentiös aufs Tor, und Voronov mit der Kelle in der Schussbahn. Kein Tor für die Sexy Hockey Clips im DSF, aber umso wichtiger.
Nach dem Anschluss rebellierten die Essener gegen den Druck der Gastgeber, hatten gute Chancen. Einmal, ehrlicherweise, war das 1:3 ganz nah. Aber auch unser Einheimischer Goalie Sebastian Albrecht hielt erneut grandios – 33 von 35 Schüssen.
Auf der Gegenseite? Dansereau, Mieszkowski? Immer wieder Kucis. Wie groß der ist, wie schnell der nach unten kommt, lobte ein Fan im Block A.
Dann kam Bejmo. Rostock fuhr wenige Minuten vor dem Ende wieder eine beachtliche Druckphase, Mieszkowski perfekt in den Slot, wo Bejmo perfekt parkte und reinlenkte. Normalerweise machen die beiden es andersrum.
2:2.
Die Halle war schon zuvor hochgekocht. Verzweiflung, Hoffnung und Trotz lagen in den tosenden Stimmen. Und Stolz.
Verlängerung.
Aber nur für 20 Sekunden. Das Herz hatte kaum die Chance, sich auf den Verlängerungspuls einzuschlagen.
Bullygewinn. Über Rennert und Tousignant kommt die Scheibe zu Mieszkowski. Der kreist um die Essener Verteidigung. Nicht aggressiv wie ein Piranha, sondern schlau, abwartend, kaltblütig. Ein weißer Hai im Raubfischtrikot.
Big Mike deutete einen Pass an, passt dann aber doch nicht, eine Finte. Sie gibt ihm den Raum, den ein großer Mann wie Mike braucht. Ein Blick, ein Schuss, ein Jubelschrei.
Wie die Irren klatschen die Fans an die Plexigalsscheiben. Stürmische Umarmungen. Auf einem Video ist das Ausrasten der Haupttribüne zu erkennen. Ein wilder Haufen Eishockey Liebe – man, hat die Schillingallee dieses Feeling in den vergangenen Jahren vermisst.
Der Nachtisch (Der Notizzettel):
Über die Schiedsrichter wird viel gemeckert – aber man darf auch loben, wenn etwas positiv auffällt! Die Unparteiischen sprachen nur eine Strafe aus, gegen Essen, ansonsten blieben die Strafbänke verwaist. Klar, sie hätten auf beiden Seiten sicher ein, zwei Situationen pfeifen können. Es gab strittige Situationen, auch manches boshaftes Schnauben auf den Rängen. Aber die Linie war gegenüber BEIDEN Teams großzügig. Das Spiel war intensiv, hart, umkämpft – niemals brutal. Ein angenehmer Nebeneffekt: Wenig Unterbrechungen, wenig Blabla, sondern ein flüssiges, tolles Spiel.
Die Leidenschaft im Piranhas-Team ist grandios. Bemerkenswert, wie viele Scheiben die Kerle hinter dem Tor erkämpften. Ebenso toll, wie gut die Rostocker Jungs zusammen spielten. Essen mag mehr individuelle Klasse auf dem Eis haben – aber die Piranhas waren das bessere und charakterstärke Kollektiv.
Lenny Soccio reagierte mehrmals auf die Wendungen und Irrungen des Spiels. Er brachte früh Voronov zu Tousignant und Steinmann in die Reihe. Hui – die sind lästiger als Mücken an einem schwülwarmen Sommerabend. Außerdem durfte Jack Bloem im letzten Drittel in die dritte Formation aufrücken. Eine Chance, die der motivierte Junge mit guten Impulsen nutzte. Interessant: Papa Dieter Bloem war aus den USA angereist und machte – ja, da haben wir es wieder – stolz ein Foto von sich vor dem Plakat seines Stammeshalters am Aufgang zu Block B. Sympathischer Typ, der Dieter!
Die Stimmung in der Schillingallee ist momentan besonders. Kein Dauergetöse durch Klatschpappen, keine (geil) durchgeplante Choreografie. Sondern ein Bass nah am Spiel. Die Lautstärke der Halle verläuft symmetrisch zum Spielverlauf, zum Einsatz der Piranhas. Und so ist die gestrige Stimmung nur ein weiterer Beleg dafür, wie begeisternd die Rostocker momentan Eishockey spielen. Auch wenn es pathetisch klingt: Es war nicht nur Lärm, es war von Herzen ehrlicher Lärm.
Die Spieler des Spiels:
Christian Paul-Mercier wurde auf dem Eis ausgezeichnet, verdient! Es hätte die gesamte Mannschaft sein können. An dieser Stelle wollen wir aber Namen nennen, die sonst etwas untergehen, gerade in der Verteidigung.
Raik Rennert machte eines seiner besten Spiele in Piranhas-Trikot.
Christian Guran rieb sich wie gewohnt auf – haftete wie eine Klette an den Essenern.
Marlon Braun – erneut stark – sorgte mit einem schlauen, weil gut temperierten Schuss dafür, dass unsere #7 einen reinvoronoffen konnte.
Marius Pöpel blockte einen harten Schuss, schleppte sich schmerzverzerrt zur Bank. Keine 90 Sekunden später fuhr er den nächsten Wechsel.
Mark Shevyrin war an einem Tor beteiligt und verhinderte einmal einen Einschlag grandios, als er den einschussbereiten Essener die Scheibe vom Tablett nahm.
Raul Jakob räumte wie immer auf.
Eine bockstarke Verteidigung gegen eine der besten Offensiven der Liga.
Alle irre gut. Punkt!
Die Stimmen zum Spiel:
Vizepräsident Christian Trems: »So eine positive und euphorische Stimmung haben wir seit Jahren nicht mehr in der Schillingallee erlebt. Das ist Wahnsinn!«
Coach Lenny Soccio: »Natürlich freue ich mich, wenn Fans meinen Namen rufen, wenn sie sich bei mir bedanken. Aber das Lob gebührt vor allem den Spielern.«
Kilian Steinmann: »Wenn wir es schaffen, bald über 60 Minuten so zu spielen, wie gestern seit der 30., wird es jede Oberliga-Mannschaft schwer gegen uns haben.«
Der Absacker - aus dem Verein:
Die Freibeuter haben gestern ihr erstes Saisonspiel gewonnen. Die zweite Mannschaft des Rostocker Eishockey Club siegte bei den Hamburg Crocodiles II mit 6:5. Das Siegtor fiel Sekunden vor dem Ende. Stark Männers!
Ebenfalls toll: Beim Kids on Ice Day wuselten unzählige Kids mit Piranhas aus dem Profi-Team über das Eis der Schillingallee. Eislaufenlernen mit Tousi, Keegan und Co? Geile Sache! Bilder gibt es morgen!
Wie gehts weiter:
Am Sonntag spielen wir – hehe – mal wieder beim Tabellenführer, denn die Scorpions haben dieses Amt von den Moskitos Essen übernommen.
Letztes Jahr ein Duell mit den Scorpions – nur mit Ibuprofen erträglich. Jetzt kann man das Anbully gegen das Top-Team der Liga kaum erwarten.
Das nächste Heimspiel gibt es erst in 15 Tagen – am 19. November gegen Herford.
Lasst uns die Schillingallee richtig voll machen! Vielleicht: #1.400malDu?
Das literarische Zitat:
»Super Rostock, Super Rostock, Super Rostock – REC!«
Mehr als 1.000 geile Menschen in der Eishalle Rostock.
Text: Hannes Hilbrecht
Foto: Bastian Horn