Rostock Piranhas vs. Saale Bulls - MEC Halle 04 e.V.: 4:1
Tore: Öhrvall (3x), Fleischmann
Foto: PPR Media
Text: Hannes Hilbrecht
Das Spiel:
Mit dem Ende der Story sollte man normalerweise keine Geschichte starten. Aber die folgende Szene war so ausdrucksstark, dass sie schlicht an den Anfang gehört. In einem Eishockeyspiel. Aber viel mehr noch in unserem Zusammenleben. Wären mehr Menschen so wie Emil Bejmo, dann wäre unser Alltag wohl weit mehr wie ein Bananensplit im mitternächtlichen Lieblingslokal.
Was war passiert?
Das Spiel war entschieden, die Piranhas führten Augenblicke vor dem Ende mit 3:1. Emil Bejmo bekam die Scheibe, nur ein Gegenspieler stand noch zwischen ihm und dem verwaisten Tor.
Wenn ein Dude ein Tor gerade verdient hat, dann der galante Schwede mit der Nummer #12.
Wochenlang fiel Emil Bejmo aus. Dann kam er zurück, beeindruckte sofort als Vorlagengeber. Sieben Tore hatte Emil seit seinem Comeback schon vorbereitet, als er auf das leere Tor kurvte. Jetzt hätte er sich so richtig für seine Mühen belohnen können. Sein Name wäre denkbar laut durch die Halle gebrüllt worden.
Aber Emil schoss nicht. Stattdessen spielte er den Pass auf Jesper Öhrvall, der danach keine Mühe hatte, sein drittes Tor des Abends zu erzielen. Ein Hattrick. Immer etwas Besonderes beim Eishockey. Wie kollegial die Szene war, machte auch Öhrvalls Jubel deutlich. Sein erster Blick, die geballte Siegesfaust, ging nicht etwa in Richtung Fans. Stattdessen deutete er zielsicher auf den barmherzigen Vorlagengeber. Bejmo und Öhrvall – das ist wie Wibran und Arvidsson, nur in torreicher und mit deutlich mehr Haupthaar.
4:1 hieß es am Ende. Ein Ergebnis, dass sich in der Höhe gleichzeitig verdient und zugleich etwas zu hoch anfühlte. Aber von vorn.
Die Piranhas dominierten das erste Drittel, wie sie bislang wohl kaum ein Drittel dominiert hatten. 21 zu 3 Schüsse nach 20 Minuten. Nicht irgendwelche aufs Tor geeierten Käseschüsse, sondern richtige Chancen. Herausgespielte Gelegenheiten! In ein stattliches Ergebnis wurde diese Dominanz aber nicht umgewandelt.
Das lag zum einen an Nils Kapteinat im Hallenser Tor, der mehrfach so hielt, als hätte er sich wie Popeye ausschließlich von Spinat ernährt. Besonders als Jan Tramm in der Anfangsphase eine bildhübsche Kombination beinahe ins Gehäuse getrammt hätte. Aber Kapteinat, ein alter Hamburger Kollege, machte alle Schoner und Schotten zu.
Mitten in einer seltsamen Rostocker Dominanz konterte Halle. Zwei fixe Pässe, dann wurschtelte Eetu Elo (keine Füllhalter-Marke) den Puck irgendwie in die Maschen. Ein Gegentreffer aus dem Nichts.
Schockstarre? Nur kurz!
Die Piranhas zogen fünf Minuten später nach, als Jesper Öhrvall mit ganz scharfer Klinge ein winziges Fleckchen Netz erspähte und traf. Der Ausgleich.
Und jener Öhrvall hätte Minuten später fast noch was ganz anderes kredenzt. Es wäre vielleicht sogar das Tor des Monats im deutschen Eishockey gewesen. Von der blauen Linie machte er fast alle fünf Feldspieler der Hallenser gleichzeitig nass. Wie ein betrunkener Tangotänzer stapfte Jesper durch das Unterholz der gegnerischen Schläger, bekam vor dem Torwart die Kurve und scheiterte nur um Haaresbreite an einem Rostocker Legendentor.
Ein episches Solo.
Zum Glück gibt es beim Eishockey nicht nur zweite Chancen, sondern auch zweite Drittel. Die Drittelpausenbockwurst des Dachdeckermeisters von nebenan war nicht mal halb inhaliert, als Jesper Öhrvall zum nächsten Tänzchen ansetze.
Wieder nahm er mit kleinen, aber flinken Schritten Tempo auf und raste durch die gegnerische Verteidigung. Diesmal legte er jedoch den Puck staubtrocken neben dem Schoner Kapteinats ins Tor. So zärtlich, als hätte er den Hallensern keine Scheibe untergeschoben, sondern ein in eine Wolldecke gehülltes Baby.
Und dann?
Wurde es irgendwie zäh. Halle spielte weiter defensiv robust, riskierte nicht viel, versteifte sich auf Kontern. Neben einer Salve von harmlosen Schüssen kamen auch drei Angriffe zustande, die Sebastian Albrecht formidabel abwehren musste.
Die Piranhas hatten mehr Spielanteile, mehr Vibe, aber es fehlte der letzte Druck. Halle wirkte wie ein cleverer Boxer, der wusste, dass er einen offenen Kampf nicht bis zur letzten Runde gewinnen kann, und sich deshalb auf den finalen Gong konzentriert. Um dann, im Fall der Fälle, aus dem Nichts zuzuschlagen. Es war ein rassiges, ein gutes, aber auch ein komisches Eishockeyspiel.
Im letzten Drittel brachten die Piranhas wieder mehr PS aufs Eis. Die reichten aber nicht, um Kapteinat erneut die Kapitänsmütze abzunehmen. Das lag in diesem Drittel aber nicht mehr allein am Gästegoalie. Stattdessen kam Pech dazu. Einmal hatte Öhrvall wieder Knoten in die Abwehrbeine getanzt, als sein aussichtsreich aufs Tor geschobener Puck am Schlittschuh eines Mitspielers hängen blieb. Kurze Zeit später raste ein Schuss aus dem Halbfeld in Richtung Tor, doch leider war diesmal die Hand von Emil Bejmo entscheidend im Weg. Die Fingernägel muss sich der Mittelstürmer wohl vorerst nicht mehr schneiden.
Halles Plan schien aufzugehen. In den letzten fünf Minuten waren sie noch im Spiel, und nun machten sie komplett auf. Aus dem Nichts grunsten die Gäste wie Zuchtbullen bei der Kälbchenplanung und machten richtig Druck. Aber Albrecht ist eben der, der fast immer hält.
Die Entscheidung der Gäste, bereits mehr als drei Minuten vor Spielende den Torwart rauszunehmen, war so auch ein Eingeständnis der Rostocker Überlegenheit. Bei 5-gegen-5 trauten sich die Saale Bulls schlicht kein Tor mehr zu. Eine künstliche Überzahl musste her – doch die brachte das Gegenteil.
Ilja Fleischmann schoss – von den Unparteiischen zunächst unbemerkt – erfolgreich ins leere Tor. Der Videobeweis brachte dieses Mal also mehr als einen Torjubel – nämlich kollektive Erleichterung.
Der Rest war der Sportsgeist von Emil Bejmo, der auf sein erstes Saisontor verzichtete, um seinen Teamkollegen den Hattrick zu gönnen. Ende gut, alles gut.
Der Respekt vor dem Gegner:
Was die Halle Saale Bulls gerade erleben, ist richtig fies. So mies, wie Blasen unter den Füßen, wenn in neuen Wanderschuhen eine Parkwanderung ansteht. Mehrere Leistungsträger sind langfristig verletzt, der Kader ausgedünnt. Gestern reisten nur 14 Feldspieler an die Ostsee. Das ist an der Grenze zu arg wenig. Wie sich die Hallenser trotz der Ausgangssituation geschlagen haben, war absolut anerkennenswert. Lange spielten sie diszipliniertes Defensiv-Eishockey. Die Konter waren gefährlich. Sie hielten sich – bis kurz vor Schluss – im Spiel. Drei Minuten vor dem Spielende den Torhüter zu ziehen, ist mutig und zeugt von kampf- und risikobereitschaft.
Jungs wie Thomas Merl haben sich gestern mit Bullenkraft gegen die Niederlage gestemmt. Zeitweise drohte wirklich ein »Merl Jam Konzert«. Das hat sicher auch den einen oder anderen Piranhas-Fan imponiert. Wir freuen uns schon auf das Derby am zweiten Weihnachtstag – möge es ein ähnlich harter Kampf werden.
Notizzettel:
Unfassbar: Die Piranhas haben zum sechsten Mal in Folge zu Hause gewonnen. Gegen Teams wie Halle, Leipzig (2x) und Essen. Das hat die Schillingallee auch nicht alle Tage erlebt.
Stark auch die Comeback-Qualitäten nach Niederlagen. Seit dem 04.10 haben die Piranhas keine zwei Spiele mehr hintereinander verloren. Auf jede Niederlage folgte in den vergangenen zwei Monaten eine bissige Antwort.
Bissig und fair war die Disziplin der Rostocker Jungs. In einem intensiven Spiel kam die Soccio-Truppe ohne Strafzeit durch die Partie.
Emil Bejmos Comeback liest sich fulminant! Vier Spiele, drei Siege, acht Tor-Vorbereitungen. Schön, dass du wieder da bist, Sportsfreund!
Erneut wurde ein Tor von Ilja Fleischmann fälschlicherweise Kilian Steinmann in der Halle zugeschrieben. Tatsächlich war es aber wirklich Ilja, der wie schon gegen Herford den Deckel drauf machte.
Ein besonderer Dank geht an Piranhas-Fan »Stefan zum Mischpult«, der kurzfristig bei der Steuerung der Videoleinwand aushalf. Ohne Ehrenamt bleibt es zappenduster!
Über das nächste Spiel:
Am kommenden Sonntag gibt es DEN Prüfstein für die sechs Spiele umfassende Siegesserie in der Schillingallee.! Die bescheidenen Tabellenführer und Feierabendboxer der Hannover Scor-pi-ooons gastieren bei uns. Das wird eine ganz heiße Kiste!
Wir brauchen auch in der Halle! Jetzt fix Tickets sichern: https://www.piranhas.de/