Halle Saale Bulls vs. Rostock Piranhas: 3:5
Tore Piranhas: Dansereau (2x), Bloem, Bejmo, Pöpel
Highlights: https://www.youtube.com/watch?v=4ygOXQLQ8UY
Die Stimmung
Die Rostock Piranhas gewinnen das Nachholspiel bei den Saale Bulls - MEC Halle 04 e.V..
Nicht glücklich, nicht kurios, sondern hochverdient.
Taktisch, technisch, pragmatisch gut.
Diese drei Sätze zergehen auf der Zunge wie Zitronensorbet.
Mehr noch:
Es war der sechste Sieg für die Piranhas hintereinander. Nach den Indians, Moskitos, Scorpions haben die Raubfische von Lenny Soccio nun auch die Saale Bulls niedergerungen. Gestern über weite Strecken sogar mit dem besten Raubfisch-Eishockey der Saison.
Es fühlt sich gerade sehr gut an, Piranhas-Fan zu sein.
Deshalb: Am Sonntag alle in die Halle!
Der Spielverlauf
Phase 1: Schwimmen können die Piranhas gut
Die ersten sieben, acht Minuten waren extrem hart. Halle drückte unerlässlich, bereits nach wenigen Sekunden musste Sebastian Albrecht fantastisch halten.
Immer wieder die Bulls, immer wieder das Rostocker Bollwerk. Es knarzte, aber es stürzte nicht in sich zusammen. Weil jeder Puck an der Mauer namens Sebastian Albrecht abprallte. Aber auch, weil die Rostocker Verteidiger immer noch ein Körperteil oder eine Schlägerspitze in die Pässe bekamen.
Ja, die Hintermannschaft schwamm, aber das ziemlich gekonnt. Dann hatte Nolan Renke einen Auftritt, der in keinem klassischen Spielbericht stehen wird, der aber wichtig war. Renks brachte sich in einem Zweikampf gut in Position, wurde gehalten, und holte so die erste Strafzeit raus. Eine Energieleistung. Und der Beginn von fast 40 Minuten, die für alles stehen, was das Rostocker Eishockey momentan ausmacht.
Phase 2: Bissig für Rostock!
Beim Powerplay wirken die Rostocker in dieser Spielzeit bisher speziell. Es sieht selten richtig geschmeidig aus, aber irgendwie hüpft doch ziemlich oft eine Scheibe ins Tor.
Gestern war es anders. Wie auf Schienen glitt der Puck durch das gegnerische Drittel. Schuss? Abgewehrt. Schuss? Abgewehrt. Egal, scheissegal. Schon startete der nächste Angriff. Scheibe erkämpft, auf Bejmo gespielt, der mit dem perfekten Pass für Keegan, und der trifft. Bujaka!
Dansy zählt auch dieses Jahr zu den Topstürmern, aber so ein richtiges Dansereau-Tor, ein Schlagschuss vom linken Bullykreis, war ihm diese Saison noch nicht vergönnt. Nun aber vibrierte das Netz.
Dieses frühe 1:0 – endlich mal wieder – bestärkte die Piranhas. Einige gute Chancen folgten, und mit einer sehr akkuraten Defensivleistung ging es gegentorlos in die Pause.
Der zweite Abschnitt. In der nahen Vergangenheit war er so oft der Sündenpfuhl für Piranhas-Ambitionen.
Doch das, was sich seit Wochen andeutet, setzte sich in Halle fort. Die Rostocker spielten auch von der 21. bis zur 40. Minute sehenswertes Eishockey.
Bereits nach wenigen Sekunden die erste Riesenchance, kurz darauf die nächste, und danach fehlten noch mal nur Zentimeter. Immer wieder gewannen die Piranhas die Scheibe und brachten sie schnell nach vorne. Wie schon bei den Scorpions gelang das Umschalten von Verteidigung auf Angriff deutlich flüssiger als noch vor Wochen.
Beim 2:0 – absolut verdient zu diesem Zeitpunkt – hatten Kunz und Bloem unglaublich hart für den Treffer gearbeitet. Wenn nicht schön, dann wenigstens ehrlich. Und drin ist nunmal drin.
Dann, fast aus dem Nichts: das 1:2. Fliegende Teddybären, tolle Aktion. Auch Gegentore können sich wertvoll anfühlen.
Die Antwort auf den Rückschlag folgte binnen weniger Momente.
Bejmo nach ganz feiner Einzelleistung mit dem 3:1. Scheibe gewonnen, aus schwierigem Winkel bestmöglich gezielt, den unglücklichen Torwart rotzfrech übertölpelt.
Auch in den letzten Spielabschnitt kamen die Rostocker mit mehr Wucht, sie zwangen die Hallenser immer wieder tief vor das eigene Tor. Der Vorteil? Sogar unsere Verteidiger kamen in bessere Schusspositionen. Pöpel sehr überlegt ins Dreiangel – der nächste bezaubernde Rostocker Treffer.
Phase 3: Immer noch die Mannschaft der letzten Minuten
4:1 beim Favoriten in Führung, dabei die (vor allem kämpferisch) bessere Mannschaft. Was soll passieren?
Halle passierte. Mit viel Moral und noch mehr individueller Klasse kamen sie binnen Minuten wieder auf das 3:4 ran. Das Tor von Patrick Schmid war Zuckerwatte, ganz ehrlich. Der direkte Anschlusstreffer, wenig später, mühsam reingestochert nach Rostocker Flüchtigkeitsfehler.
Plötzlich war die Arena da, und das darf man neidlos anerkennen: Die Eruption, die sich im Sparkassen Eisdom ausbreitet, wenn die Saale Bulls einen »reinhörnern«, ist bemerkenswert.
Aber es gibt etwas, das noch bemerkenswerter ist…
und zwar Rostocker Jungs vom REC. Mit sehr viel Ruhe, Konzentration und Wille reagierten die Raubfische auf das nun plötzlich verkomplizierte Spiel. Sie fuhren sogar zwei, drei sehenswerte Konter. Obwohl Halle alles gab, was Halle zu bieten hatte, kamen sie zu keiner richtigen Ausgleich-Chance.
Es ist erstaunlich, wie robust dieses Team ist, wenn es darauf ankommt. Und das eben nicht nur in der Overtime.
Den Schlusspunkt setzte derjenige, der den Torreigen eröffnet hatte.
Wie auch immer Keegan das mit seinen Handgelenken anstellte, aus dichter Bedrängnis löffelte er das Hartgummi aus etwa 35 Metern ins Tor.
Es gibt wenig Schöneres als einen Puck, der einsam auf das leere Gegnertor zusteuert. Es ist – und das beschreibt die bisherige Piranhas-Saison in vier Worten – ein Jubelschrei mit Anlauf!
Die Spieler des Spiels
Keegan Dansereau spielte nach seiner Verletzung groß auf. Beide Tore waren auf ihre ganz eigene Art unnachahmlich schön. Vor allem: Wie viel Ruhe der Kerl ausstrahlte, wenn er Druck von allen Seiten bekam. Keegan stand somit stellvertretend für die gesamte Offensive. Sehr viel Spielwitz, Entschlossenheit, aber immer das Gefühl für die passende Entscheidung im richtigen Moment.
Marius Pöpel schoss ein tolles Tor und bereitete zwei weitere vor. Ein Dreipunktespiel ist für Verteidiger in Rostock auch etwas, an das man sich als Fan gern gewöhnen möchte.
Klar, Sebastian Albrecht, der diese Auszeichnung wie andere die SUPERillu abonniert hat, könnte hier wieder stehen. Erneut eine starke Leistung und Gegentore aus der Rubrik: kannste nix machen.
Aber Zeit für einen anderen Namen: Was Raik Rennert seit Wochen verteidigt, ist auffallend gut. Immer wieder stibitzte er gestern den Hallensern die Scheibe. Fast ausnahmslos klärte er sie clever. Wenn er das mal nicht tat, holte er sich diese direkt wieder. Dazu diese Gelassenheit. Da können drei Bullen im Forecheck angestampft kommen, und er löst wahrscheinlich gedanklich noch einen Rubik’s Cube (Zauberwürfel), ehe er die Situation bereinigt. Raik Rennert ist ein großer Gewinn für Rostock.
Der Notizzettel
Was Halle für das Oberliga-Eishockey tut, ist grandios. Von den Parkplatz-Wächterinnen über die Bratwurstflüsterer am Grill bis zum Presse- und Medienteam ist das eine fantastische Teamleistung an der Saale. Wirklich! Wer noch nicht da war, macht etwas falsch. Und wenn euch ein Gästefan in seinen Transporter locken will, steigt ein, sofern ihr groß und erwachsen seid. Ihr werdet dann in einer umgebauten Garage bestens mit gut gekühlten Dosenkonserven verköstigt. Apropos Kost: Die Hallenser servieren Wurstgulasch in der Eishalle. Wie edel ist das denn?!
Die schönste Lehre fühlten viele Fans sicher schon vor dem Spiel: Gab es über Jahre von den Top-Teams nur Schläge auf die Rippen, hat sich ein neues Gefühl eingestellt: Egal wo es hingeht, egal wer sich gegen uns stellt – die Piranhas können an guten Tagen jeden Gegner schlagen.
Apropos Fans: Im Gästebereich und im VIP-Raum waren bis zu 30! Rostockerinnen und Rostocker am Start. Sogar Ilja Fleischmann schaute bei seinen Rostocker Jungs vorbei. Ein Riesen-Kompliment an die Fischkopp-Variante des Safri-Duos.
Dieses Team ist und bleibt charakterlich besonders. Marius Pöpel sagte kurz nach dem Spiel: »Wir müssen jetzt Demut bewahren, und das werden wir auch. Es gibt nur harte Spiele, in denen wir alles reinwerfen müssen, damit wir eine Chance auf den Sieg haben. Und das werden wir auch weiterhin tun – ohne abzuheben.«
Kapitän Kilian Steinmann erklärte, warum es gestern kein Siegerfoto aus der Kabine gab: »Wir haben ein schwieriges Spiel gegen einen tollen Gegner gewonnen. Wir haben einen guten Lauf. Aber wir wollen noch viel mehr zusammen mit den Fans anstellen. So ein Foto gibt es dann, wenn wir wirklich etwas erreicht haben.«
Bei aller Bescheidenheit, bei einer Sache irrt sich der Kapitän dann doch. Die Piranhas haben schon nach wenigen Wochen vielleicht das Wichtigste überhaupt erreicht:
Eishockey in Rostock fühlt sich wieder verdammt geil an. Eishockey in Rostock lebt. Und zwar so laut und intensiv wie lange nicht.
Der Aufruf
Sechs Siege aus den letzten sechs Spielen. Tabellenplatz sechs. Atemberaubende Spiele, unbändiger Kampf bis in die letzte Sekunde.
Belohnen wir das Team mit einer epischen Kulisse. 1.500 Fans gegen Herford. Das erste Mal seit mehr als fünf Jahren. Am Sonntag ab 19:00 Uhr in der Eishalle Rostock!
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Text: Hannes Hilbrecht
Fotos: Bastian Horn