Rostock Piranhas vs. Moskitos Essen 2:4
Piranhas-Tore: Emil Bejmo, Jan Tramm
Zuschauerzahl: 993
Zuallererst: Eigentlich wollten wir das Freitagsspiel gegen Essen am Samstagvormittag als Drama beschreiben. Dann erreichten uns die beklemmenden Nachrichten aus Hannover.
Jan.
Ein Tag, der zeigt, dass auch das großartigste Spiel nur ein Beiwerk im Leben ist. Dass es Wesentlicheres gibt als Hockey.
Und dass es eben nicht selbstverständlich ist, zum Eishockey zu gehen. Dass es nicht selbstverständlich ist, Eishockey zu spielen.
Seid gut zueinander. Macht euch eine famose Zeit.
Nun zurück zum Sport, zum Spektakel.
Dieses Wort genügt für die Beschreibung eines tollen Eishockey-Spiels am Freitagabend.
Die Moskitos, die momentan unnachahmlich durch die Liga pflügen, zuletzt Herford auswärts mit 9:2 planierten, mussten sich bei den Piranhas bis in die Schlusssekunden arg strecken. Es wurde beidseitig gestochert, gekämpft, um jede Scheibe gerungen. Ein leidenschaftliches Duell auf Augenhöhe.
Und ein Spiel auf Schlägers Schneide, eine Partie, die die Schillingallee teilweise kochen ließ. Immer wieder flammte teils wütender Applaus für die Rostocker Jungs auf. Die Luft in der Halle roch nach »jetzt erst recht«.
Am Ende siegte Essen so verdient, wie Rostock unverdient verlor. Ein Spiel, das aufgrund seiner Intensität eigentlich eine Verlängerung verdient gehabt hätte.
Oder in wenigen Worten: Es war Werbung für den Eishockeysport in der Oberliga-Nord.
Das Spiel:
Essen kam mit dem ersten Wechsel druckvoll in die Partie, die ersten großen Chancen hatten aber die Piranhas. Besonders bitter: Ein abgefälschter Schuss ditschte an den Pfosten, auch andere Hochkaräter wurden versiebt. Anders auf der gegenüberliegenden Seite: Dort trudelte ein abgefälschter Schuss ins Piranhas-Gehäuse. 0:1. Ziemlich schmerzhaft wie ein eingerissener Fingernagel.
Und es kam aus Rostocker noch bitterer: Im Powerplay kullerte die Scheibe fast komplett über die Linie. Nur mit einem Hauch (Gurkensalatscheibenbreit) von Hartgummi touchierte sie Torlinie. Trotzdem zeigte der Unparteiische hinter dem Tor mehrfach eindrucksvoll ein Tor an. Tor, Tor, Tor! Eine Performance, die für Gold bei der Weltmeisterschaft im Toranzeigen in Pyeongchang gereicht hätte.
Mathieu Tousignant, bestens postiert, die Scheibe richtig reinzudrücken, drehte zum Jubeln ab.
Kurz darauf nahm jedoch genau der Schiedsrichter, der das initial Tor gegeben hatte, seine Entscheidung – ohne Videobeweis –zurück.
Wären die Piranhas beim Boxen im ersten Drittel knapp Sieger nach Punkten gewesen, kamen die Essener stark zurück ins Spiel. Schon in der Schlussphase des ersten Abschnitts hatten sie selbst Pech bei einem Abschluss gehabt, der das Metall klirren ließ.
Im zweiten Drittel beeindruckten die Essener insgesamt mit Scheibensicherheit, gutem Körperspiel und schlauen ersten Pässen. Aber die Piranhas verkeilten sich in dieser Partie in den Kniekehlen des Gegners. Bissen, bissen, bissen – was auch das Publikum teilweise frenetisch honorierte.
In einem engen Drittel mit Vorteilen für die Moskitos war es Virtuose Emil Bejmo, der den nicht überfälligen, aber verdienten Ausgleich erzielte.
Genau in dieser Phase zeigte sich leider, das Essen bislang zurecht die Liga anführt. Mit reichlich Wut und Druck pressten sie die Rostocker folglich ins eigene Drittel, und erneut wursteten sie irgendwie ein Tor rein. Das ist keineswegs abfällig gemeint: Denn auch erzwungene Tore sind ein Beleg für Qualität.
Die gallige Stimmung in der Halle wurde noch hitziger, als es einige Zweikämpfe gab, die sicher anders bewertet werden können. Im gesamten, leidenschaftlich ausgetragenen Schlussabschnitt wog das Spiel hin und her – das 1:3 und 2:2 waren möglich. Rostock hatte dieses Mal viel Glück, als der starke Goalie Lucas Di Berardo einen Essener Schuss erst hinter der Linie wegfing. Andererseits fehlten auch Keegan Dansereau nur Zentimeter zum Ausgleich.
Schien das Spiel durch das 3:1 der Essener – wieder leidenschaftlich erkämpft – entschieden, legte Jan Tramm all seinen Zorn in einen Schuss, der fast das Tornetz zerrissen hätte. Kurz vor dem Ende das 2:3 – und das Hansaviertel bebte. Bis Biezais – ein absoluter Topspieler der Liga – ins leere Piranhas-Tor traf.
Ein Spiel, das in Nuancen entschieden wurde. Ein Spiel, in dem es am Ende vor allem einen Gewinner gab: das Publikum in der Halle, das 60 Minuten feinsten Live-Sport sah. Ein Thriller, so spannend, dass er aus der Feder von Greg Iles stammen könnte.
Notizen:
Viel wurde in den sozialen Medien und in der Halle über die Unparteiischen geschimpft. Bitte bedenkt: Ohne Schiedsrichter gäbe es diesen Sport nicht. Besonders in hitzigen Partien ist es ein extrem undankbarer Job. Ohne großen Kommentar zum vorgestrigen Abend: Ermutigt eure Kids, dass auch sie Schiedsrichter werden können – vor allem, dass diese MENSCHEN für ihre Arbeit Respekt verdienen. Der Eishockeysport braucht dringend guten Schiedsrichternachwuchs.
Trotz der Niederlage zeigten die Piranhas eine ihrer ansprechendsten Saisonleistungen. Die Scheibe lief bis zum letzten Pass flüssiger. Die Leidenschaft auf dem Eis war unglaublich. Man durfte an diesem Abend stolz auf dieses bissige Team sein.
993 Zuschauer in der Halle – die Entwicklung ist trotz der jüngsten Heimniederlagen positiv. Dass wir auf allen Kanälen mehr Begeisterung für das Eishockey in Rostock spüren, liegt vor allem an euch Fans. In einer Stadt mit so viel sportlicher Power (wo Drittklassigkeit fast ein Makel ist) seid ihr Zuschauer die Herzkammer unseres Vereins. Macht bitte weiter so. Zusammen mit einer tollen Mannschaft bekommen wir die Halle Stück für Stück gefüllt.
Die mitgereisten Esser-Fans waren richtig korrekte Menschen – danke für euren Besuch. Auch in den sozialen Medien wurde – bis auf eine unschöne Ausnahme – trotz der Emotionalität fair und sportlich diskutiert. Eishockey ist Familie – und da wird sich gezankt UND vertragen.
Der Vorbericht für heute Abend:
Heute reisen unsere Piranhas zur nominell besten Mannschaft der Liga – den Hannover Scor–piii–oooons. Der Respekt vor einem Gegner kann nicht größer sein. Vor allem, weil die Niedersachsen nach einer überraschenden Pleite in Duisburg den Stachel auf Anschlag heben werden.
Aber: Wenn die Raubfische kämpfen wie am Freitag, ist alles drin. So oder so: Die Saison ist jung, und dieses tollkühne Team findet sich gerade erst. Und das ist eine gute Nachricht an einem Wochenende, das für immer ein trauriges bleiben wird.
Das Spiel: Heute Abend, ab 19:00 Uhr auf http://sprade.tv
Gemeinsam #bissigfürrostock
Text: Hannes Hilbrecht