Spielbericht zum sensationellen Sieg!

Rostock Piranhas – Tilburg Trappers 4:3 nach Penalty

Piranhas Tore: 1:0 Hannon (2. Spielminute), 2:1 Steinmann (7.), 3:3 Steinmann (45.) | 4:3 Penalty: Nix x | Fraser O | Öhrvall O

Zuschauer: 1.285

Schüsse: 39 – 37

Timon, unser Held, aus der pinken Piranhas-Welt.

Die Rostock Piranhas ringen in einem teilweise fantastischen und rasanten Eishockeyspiel die Tilburg Trappers mit 4:3 nach Penaltyschießen nieder. Es war ein Abend großer und kleiner Heldentaten – und der Beginn von so mancher neuer Freundschaft. Heute etwas mehr als ein Spielbericht.

Text: Hannes Hilbrecht

Foto: PPR Media

Es gibt so Pandabienenhörnchen-Tage, da möchte man sich gar nicht aus dem Bett herausschälen. Nicht, weil man nicht kann, nicht, weil man nicht motiviert ist, sondern einfach, weil alles gut ist, wie es ist. Flauschig. Warm. Voller Zufriedenheit. Also so wie die Gedanken an die gestrigen Piranhas. Was war das für ein tolles Eishockeyspiel!

Und: Wo beginnt man mit einem Nachbericht? Vielleicht ausnahmsweise nicht im ersten Drittel, sondern im fünften Drittel des Abends (wenn man die Verlängerung als vierten Abschnitt zählt). In einer Rostocker Szenebar mit guter Küche kam es am Tresen zu einer ungewohnten Begegnung.

Sechs Männer und eine Frau in gelben Trikots bewunderten den Astralkörper des Kneipiers, brabbelten in einer Mischung aus Deutsch, Niederländisch und Englisch ihre Bestellungen.

Ein Haufen Tilburger in einem Laden, in den Piranhas-Fans sonst gerne abhängen. Wie geil ist das denn!

Natürlich wurde das Spiel ausgewertet. Dabei stellte sich heraus, dass die Eltern eines Tilburger Spielers auch an der Kaltschale nippten. Irre cool! Am Ende wurden Komplimente für die jeweilige Eishockeymannschaft ausgetauscht, über den Rostocker Torhüter geschwärmt und Pläne für einen Rückbesuch in Tilburg formuliert. Da soll ja richtig der Hirsch tanzen, sagt man sich in der Oberliga.

In diesem Sinne das Wichtigste: Eishockey ist der geilste Sport der Welt. Eben weil Rivalität und manchmal auch Wut auf dem Eis bleiben – und man sich danach auch in fremden Farben in die Arme schließen kann. Punkt. Und nun zum Spiel!

  1. Drittel

Es ging rasant los, auch weil die Piranhas das umsetzten, was sich Coach Lenny Soccio gewünscht hatte: mehr Schüsse nehmen, die Abpraller generieren. Leon Häring zog nach zwei Minuten von der Blauen ab, der Torwart ließ prallen, und die Scheibe tanzte dahin, wo sich jeder Puck wie im Kosmetikstudio fühlt: auf das Schlägerblatt von Connor Hannon. Der jagte nach zwei Minuten das vulkanisierte Hartgummi in den Giebel. Der erste Vollrausch vibrierte durch die Schillingallee.

Das Problem: Viel zu einfach kam Tilburg zum 1:1. Die Rostocker Antwort? Noch etwas ungewöhnlich. Denn die Raubfische nutzten ein Powerplay. Kilian Steinmann war es, der den Puck ins Tor stocherte. Ein Tor des Willens vom Kapitän.

Auch hier das Problem: Viel zu einfach kam Tilburg zum 2:2 – dieses Mal durch einen Schuss aus der Distanz. Zehn Minuten waren da erst rum.

Fortan spielten sich die Goalies in den Vordergrund. Tilburg dominierte die letzten fünf Minuten im Auftaktdrittel, aber Timon Bätge hielt famos. Auf der anderen Seite hätte Jesper Öhrvall fast doch noch auf 3:2 gestellt. Die guten Paraden hatten aber leider nicht exklusiv im Torraum von Timon Bätge eingeparkt.

  1. Drittel

Es wurde intensiver auf dem Eis. Schon im ersten Drittel hätte ein zwischendurch fuchsteufelswilder Connor Hannon dem Tilburger die Klocks von den Schuhen pellen wollen. Es blieb aber beim Beschnuppern.

Im zweiten Drittel wurden die Checks härter, das Spiel etwas weniger schnell, dafür intensiver. Mit der neuen Gangart kam Tilburg besser zurecht – im Powerplay kamen sie zur ersten Führung des Abends. 28 Minuten waren da rum.

Zwischendurch schienen die Piranhas zu wanken, die holländischen Hünen hatten mehr Spielanteile. Vielleicht war es rückblickend eine unscheinbare Aktion, die die Piranhas zurück ins Momentum brachte. Max Braun setzte zu einem epischen Sprint an, enteilte zwei Tilburgern, scheiterte aber im Abschluss knapp. Aber das war der Moment, der allen zeigte: Der Ausgleich ist nur eine herausragende Aktion entfernt.

  1. Drittel

Wieder Powerplay für die Piranhas – und ein komisches Geräusch, das nach einem Kilian-Steinmann-Geschoss durch die Arena hallte. Das klang nach Metall, aber nicht nach Latte oder Pfosten. Im Netz zappelte der Puck auch nicht. Sofort forderte der Schiedsrichter den Videobeweis an. Die Piranhas jubelten schon mal vorsichtig auf der Bank.

Banges Warten. Langes Warten. Banges Langes Warten! Dann der ausgestreckte Arm in den Mittelkreis. TOOORRR in der Schillingallee!

Kilian hatte den Schuss so hart ins Tor gelasert, dass er einfach wieder heraussprang. Da hätte man gern die Geschwindigkeit des Abschlusses erfahren.

3:3. Und die Party ging jetzt erst los. Denn: Mike Dalhuisen, die 89, der Typ, der aussieht, als wäre er vom Vikings-Set geflohen und hätte erst nach einem halben Liter Pferdeblut die Schlittschuhe angezogen, bekam seine dritte Strafe des Abends. Dann knallte Loginov Connor Hannon fragwürdig hart und gefährlich in die Bande. Ein brutaler Check. Connor, dem die Luft aus dem Körper gewichen schien, musste sich erst mal berappeln. Mit etwas mehr sterbendem Schwan hätte Connor wohl eine große Strafe herausschinden können. Aber Rostocker Ehrenjungs bleiben nicht liegen.

5-auf-3-Powerplay – aber Tilburg spielte die Unterzahl fantastisch. Spoiler vorab: Trotz Chancen auf beiden Seiten wollte der Puck nicht mehr ins Netz.

Verlängerung

Timon Bätge. Der Rostocker Goalie hielt das ganze Spiel fantastisch. Eine Gala-Vorstellung. Aber was in der Verlängerung passierte, war der absolute Wahnsinn. Gleich mehrmals parierte er unglaublich sehenswert. Besonders spektakulär, als er sich nach vorne in den Schuss warf, und die Beine durch die Luft schleuderte, und dort irgendwie den Puck abfälschte.

Auf der anderen Seite hatten auch die Raubfische zwei exzellente Chancen zum Sieg – es fehlten aber die berühmten Zentimeter. Also noch mal Nachschlag. Soll ja keiner hungrig nach Hause. Penaltyschießen.

Was folgte? Laute Stille in der Halle. Der Geruch von Schweiß in der Luft. Pochende Herzen in der Brust. Gänsehaut.

Nix läuft an – scheitert. Dann der erste Tilburger auf Bätge – aber der bleibt stehen. Ganz lange. Gehalten. Liam Fraser wunderschön zum Vorteil. Der nächste Tilburger ein Goldhelm. Marinaccio. Der beste Spieler der Liga – sagen manche. Dazu ein Name wie etwas, das man in einem italienischen Restaurant aus der Espressotasse löffeln möchte. Aber auch Marinaccio ist nicht gut genug für Timon Bätge. »Eingetuppert« hatte er den Puck, wie seine Teamkollegen nach dem Spiel sagten.

Vorhang auf für Jesper Öhrvall. Der nahm ganz langsam Anlauf, schien auf dem Eis zu meditieren, dann löffelte er dem gegnerischen Torhüter den Puck hoch ins Netz.

4:3. Sieg. Gegen Tilburg. Den nächsten Top-Favoriten nicht geärgert, sondern besiegt.

Der Respekt vor dem Gegner:

Diese Mannschaft ist imposant. Man hat das Gefühl, der Trainer hätte Kleiderschränken Eishockeytrikots angezogen. Was für Pakete da leichtfüßig über das Eis glitten. Dazu war die 3:5-Verteidigung wirklich episch. Wie die Spartaner in den Thermopylen hatten sie sich zu dritt vor ihrem Torwart verkeilt und alle Schuss- und Passwege abgeblockt. Das war sehr respektabel.

Drei Rostocker Heldengeschichten

Connor Hannon schoss ein wunderbares Tor. Aber was noch viel krasser war: mit welcher Hingabe er seinen wertvollen Connor-Hannon-Leib gegen die Tilburger Schlachtrösser warf. Gefühlt in jedem zweiten Wechsel stand Connor auf dem Eis, verteilte Checks, kassierte Checks, trieb immer wieder Angriffe nach vorne. Als Loginov ihn mit brachialer Wut in die Bande jagte, musste man Angst um Connor haben.

Aber Connor stand auf, zuppelte sich die Rüstung zurecht und spielte dann das Powerplay weiter.

Kapitän Kilian Steinmann war die Woche nicht gut drauf. »Ist gerade totale *****, was ich spiele. Ich will der Mannschaft helfen, aber das tue ich gerade nicht. Das regt mich so auf«, hatte er nicht nur einmal selbstkritisch gebrabbelt. Gestern lieferte der Kapitän furios ab. Kämpferisch gut wie eh und je, aber auch mit zwei ganz wichtigen Toren. Der Killer hat einen Killerinstinkt zurück.

Timon Bätge. Er hielt nicht nur zwei Penalties und 34 von 37 Schüssen. Er vereitelte fünf, sechs sichere Tore mit unglaublichen Paraden. Timon tupperte die Chancen der Tilburger einfach weg und gab seiner Mannschaft die Chance auf den Sieg. Nicht umsonst gab es direkt nach dem Spiel noch eine Umarmung von Chefcoach Lenny Soccio. Gestern war Timon unser Held in der pinken Piranhas-Welt.

Was besonders Mut macht:

Ihr Fans. Die Rostock Piranhas haben jetzt vier von fünf Heimspielen gewonnen. Besiegt wurde der aktuelle Tabellenführer von den Hannover Scorpions, der Vorjahreshauptrundenmeister aus Tilburg und der momentane Tabellendritte aus Duisburg. Euer Anteil daran ist enorm. Denn auch nach Rückschlägen wird dieses Team bedingungslos gepusht. Darf man wohl so sagen: Heimmacht – stand jetzt!

Heißt aber: Auswärts soll, ja muss es nun die ersten Punkte geben. Die Piranhas fahren morgen nach Erfurt. Auf geht’s, Rostocker Ehrenjungs!

Nächstes Heimspiel: Sonntag, 26.10 / Leipzig Icefighters

 

Spielbericht zum sensationellen Sieg!

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