Die Unbeugsamen und der, der nicht mehr lacht!
Spielbericht: Rostock Piranhas vs. Herne EV Miners 3:2 nach Verlängerung
Zuschauerzahl: 1.151
Piranhas-Tore: Öhrvall, Nix, Hannon
Highlights: https://www.thefan.fm/details/13285/
Text: Hannes Hilbrecht
Fotos: PPR-Media
Der Herner EV verliert ein Eishockeyspiel – man könnte meinen: Im Westen »nix« Neues. Aber das wird dem Tabellenschlusslicht absolut nicht gerecht. Die Herner zwangen die Piranhas mit einem sehr robusten Spiel in einen zähen Thriller. In dem – wie im Film – am Ende die aus unserer Sicht gute Seite gewann. Unser Spielbericht.
—
Mitten während des ersten Drittels spielte sich ein Horrorkino in einigen Piranhas-Köpfen ab. Denn den aufmerksamen Beobachterinnen und Beobachtern war längst etwas aufgefallen.
Plötzlich war ER nicht mehr da.
Ausgerechnet er nicht. Fast schon ein verzweifelter Blick beim Powerplay, ein nimmermüdes Suchen nach Erleichterung. Warum, verdammt, steht Emil Bejmo da, wo sonst Connor Hannon steht?
Wo ist Connor F***in Hannon? Jedenfalls stand er nicht mehr auf dem Eis. Auch auf der Bank suchte man ihn verzweifelt vergebens.
Erst einige Minuten später gab es die Erlösung. Hannon, der Stellvertreter-Kapitän für Kilian Steinmann, kehrte so plötzlich zurück, wie er zuvor verschwunden war. Wobei – zurückkehren ist untertrieben.
Hannon flog wieder über das Eis, so, als wäre es das normalste Hannon-Ding auf der Welt.
In der ersten Drittelpause klärte dann Stadionsprecher Ecco Weber auf.
Hannon hatte an einer Schlittschuhkufe aufgeschlitzt. Eine zentimeterlange Wunde trug Hannon davon, die mit unzähligen Stichen in der Kabine genäht werden musste. Wo manche für Monate einen gelben Schein beantragen, machte Hannon einfach weiter. Ein legendärer Auftritt, der mit dieser Szene erst seinen Anfang nahm.
Das restliche Spiel ist in den ersten 35 Minuten schnell erzählt. Es war immer noch aufregender als so mancher Grottenkick. Lag es doch vor allem an zwei starken Torhütern, dass es nach der Hälfte des Spiels Null-Null stand. Aber die normale Piranhas-Ekstase brandete nicht auf. Die Piranhas hatten die Kontrolle übernommen, waren trotz sechs fehlender Schlüsselspieler die bessere Mannschaft. Aber Herne ist eben kein klassisches Schlusslicht. Eine Mannschaft, die kämpft, die zusammenhält. Und die Finn Becker im Tor hat.
Dann ging es das erste Mal in diesem Spiel Schlag auf Schlag. Mit aller Wucht erpressten sich die Piranhas das 1:0 in Überzahl. Emil Bejmo ins Kuddelmuddel, dann sprang die Kelle auf den Schläger von Jesper Öhrvall – und der fuchtelte sie einfach rein.
Die Freude währte nur kurz – denn ein paar Augenblicke später lag Raik Rennert fast reglos auf dem Eis. Brad Snetsinger hatte den Rostocker Verteidiger ziemlich übel erwischt. Nur mit der Hilfe seiner Teamkollegen konnte Rennert vom Eis taumeln. Drohte der vierte Stammverteidiger auszufallen?
Jedenfalls schwemmte das nächste Glücksgefühl die Sorgen und Bedenken kurzzeitig weg. Bejmo auf Öhrvall, der auf Manuel Nix – Tor! Eines der schönsten Powerplaytore der Saison, perfekt kombiniert und orchestriert von unseren Schwedenhappen. Erstes Heimspiel, erstes Tor, da kann man nix beanstanden, lieber Manuel! (Für jeden Nix-Wortwitz verzichtet der Autor übrigens auf eine Hopfensaftschorle).
Während die eine Mannschaft auffällig oft versuchte, zufällig Jesper Öhrvall in die Bande zu klatschen, waren die Piranhas in Überzahl wieder brutal effizient. Aber ein Spiel dauert eben 60 und nicht 40 Minuten.
Herne blähte im Schlussdrittel noch mal mächtig die Muskeln. Man muss an dieser Stelle dem Gegner zugestehen: Moral haben diese Ruhrpottmenschen.
Zunächst erzwangen sie das 1:2, weil Timon Bätge, der famos hielt, einen Raketenabschuss nicht festmachen konnte und ein wuchtiger Nachschuss fast das Netz zerriss. Nur Sekunden später folgte nach komischer Spielsituation das 2:2. Oliver Ott hatte ins »verwaiste« Gehäuse getroffen.
Der außergewöhnliche Erfolgsmoment schien Ott zur Kopfe zu steigen. Denn dieser zeigte den Rostocker Fans mit verfrühtem Siegerlächeln eine ganz schön provokative Geste. Aus dem Block-D schnaubte ein wütender Piranhas-Fan, ob die #93 denn nicht die Tabelle kennen würde. Schon geil, dieses Adrenalin. Und Spoiler: Der präpotente Übermut sollte am Ende den Piranhas-Fans besser stehen.
Denn in dieser Liga gibt es Spieler, die eher für Party-Schlager stehen, und andererseits die stillen Jungs, die dafür die große Oper beherrschen. Connor Hannon zum Beispiel, dem großen Bariton der Oberliga Nord!
Nachdem die Piranhas das Spiel gegen aufmuckende Herner wieder unter Kontrolle bekamen und kurz vor Schluss eine Top-Chance zum 3:2 vergaben, ging es nämlich in die Overtime.
Auftritt Hannon.
Zunächst war es Patrick Pohl, der an der Scheibe mit dem Herner Gegner tanzte und dann den mustergültig eingelaufenen Hannon passgenau bediente. Dieser ließ selbst dem starken Finn Becker keine Chance am Netz. Und das mag bei dem Nachnamen was heißen!
Ausgerechnet Hannon, der Geschundene, machte den Deckel drauf. Ein irres schönes Ende eines irre tollen Abends. Und plötzlich waren es die Rostocker, die frei nach dem Schlager von Kerstin Ott in dieser Nacht für immer lachten.
Der Respekt vor dem Gegner:
Der Herner EV spielt seit Wochen beachtliches Eishockey. Er ist in einer großen Krise als Team zusammen geblieben – allein das verdient Respekt. Dazu waren einige angenehme Auswärtsfans am Start, die richtig Remmidemmi machten. Großes Kompliment!
Und auch abseits davon:
Ob alte Oberliga-Haudegen wie Dennis Swinnen oder der wuchtige Defender Hugo Enock – da steht Qualität auf dem Eis. Mit Herne wird noch zu rechnen sein in dieser Saison. Wir wünschen Glück auf!
Der Notizzettel der Piranhas:
Connor Hannong war nicht der einzige Unbeugsame an diesem Abend. Auch Raik Rennert kehrte aufs Eis zurück und biss sich für die Piranhas durch. Die Zähigkeit dieser gebeutelten Mannschaft ist grandios.
Manuel Nix krönte sein Heimdebüt mit einem Tor und einer Vorlage. Kann man nicht meckern!
Ebenfalls irre: Emil Bejmo. Der wartet zwar immer noch auf sein erstes Tor, steht aber schon bei 15 Vorlagen! Nur drei Piranhas-Spieler haben mehr. Dabei bestritt Emil lediglich die Hälfte der möglichen Spiele. Würde uns nicht wundern, wenn er sich bald mit einem Doppelpack auf der Torjägerliste einschreibt.
Apropos keine Tore: Timon Bätge hielt gestern mehr als 59 Minuten seinen Kasten sauber – klammert man den Zeitraum zwischen der 46. und 47. Minute mal aus. Am Wochenende wehrte er 93,75 Prozent aller Schüsse auf sein Tor ab. Er »pariert« besser als so manche Küchenbabsi!
Ein dickes Lob auch an die Kollegen Guran, Stromberg und Behrens. Gerade weil Rennert und Hannon teilweise verletzt ausfielen, mussten die letzten Verbliebenen ordentlich Extrameilen machen. Stark, wie ihr gekämpft habt, Jungs!
Gebt uns bitte allen den Gummibärensaft, den Max Schaludek gerade bekommt. Auch wenn er kein Tor schoss, es war bewundernswert, wie leichtfüßig er vorgestern mehrfach durch die Herne-Verteidigung glitt.
Comeback-Qualitäten: Die Rostocker Jungs bekamen vergangenes Wochenende richtig auf die Kauleiste. Zwei Spiele, null Punkte, neun Gegentore. Dafür – mal wieder – nach dem Tilburg-Spiel zwei Verletzte. Unsere Reaktion? Zwei Siege am darauffolgenden Wochenende. Wahnsinn!
Für 700 Euro wurde das originale Trikot von Kilian Steinmann versteigert – zum guten Zweck! Geile Nummer und Glückwunsch an die treue Sponsoren-Familie.
Unser Wort zum Montag:
Sechs Trikots von Langzeitverletzten hängen hinter der Spielerbande. Das Team hat jetzt sogar den Kapitän für ein paar Wochen verloren. Seit Monaten kämpft sich dieser kleine und angeschlagene Kader durch die Saison – und das als beachtlicher Fünfter.
Man muss es mit weihnachtlichen Pathos so deutlich in Richtung Raubfische sagen: Ihr habt Rostock wieder eine Eishockey-Mannschaft geschenkt, auf die jeder Sportfan in unserer Stadt stolz sein kann. Eine unbeugsame Truppe, die – egal wie beschissen es läuft – Wege findet, den Fans tolle Siege zu schenken.
Danke dafür!
Gegen Erfurt winkt das erste Mal seit Jahren eine ausverkaufte Halle. Haltet euch ran – und sichert euch fix eure Karte im Online-Shop!
Tickets: https://ticketing07.cld.ondemand.com/online/index.php3...